Gründer Interview: Mit dem Ohr auf den Gleisen

20. October 2020

10 Fragen an die beiden Kare-Geschäftsführer Peter Schönhofen und Jürgen Reiter

Die beiden Kare-Gründer Jürgen Reiter und Peter Schönhofen mischen seit fast 40 Jahren den Markt auf. Sie machen ihr Ding schon immer anders als alle anderen. In der derzeitigen Situation suchen die beiden Macher noch mehr als bisher den persön- lichen Kontakt mit ihren Kunden und den Ver- brauchern. Sie wollen begeistern und setzen auf die Wertschätzung für das Thema Einrichten. Hier können Sie das vollständige Interview lesen, das ursprünglich in der Juni-Ausgabe 2020 der deutschen Fachzeitschrift “möbel kultur” veröffentlicht wurde.

1. Herr Schönhofen, Herr Reiter, Sie melden sich aktuell mit einem ungewöhnlichen und persönlichen Unternehmensvideo zu Wort. Warum haben Sie sich dafür entschieden? Was ist Ihre Intention?

Peter Schönhofen: Wir haben uns zur Neuorientierung die Frage gestellt, was bleibt, was geht. Wie navigieren wir gemeinsam mit unseren Marktpartnern und wie erreichen wir unsere Kunden und wecken Emotionen? Was wir beide in den vielen Jahren gemeinsam im Cockpit unseres Unternehmens gelernt haben, ist, schnell, mutig und unkonventionell zu reagieren. Das hat uns immer einen Vorsprung verschafft und auch unseren Kunden. Wie können wir stylisch die Begierde erwecken und was wird Kunden jetzt Freude und ein gutes Gefühl bereiten? Nicht erst seit Corona haben wir strategisch dem Faktor Mensch mehr Gewicht in unserer Kommunikation und Markendarstellung verliehen. Wir wollen mit dem Video Antworten geben, warum Verbraucher Möbel und Dekoration kaufen sollen. Und vor allem bei welcher Marke. Es gilt, Einkaufen zu einem Vergnügen zu machen und Vertrauen zu stärken. Das Wertschätzen persönlicher, direkter Kommunikation und Beziehung ist dabei viel wichtiger geworden und wir bedienen diesen Wunsch begeisternd und gut. Für die intimere Situation eines Interviews haben wir uns entschieden, weil es für diese direkte, persönliche Kommunikation steht. Wir denken, dass Nahbarkeit und Authentizität einen höheren Stellenwert bei den Menschen haben werden – und wer kann das besser transportieren als wir. Wir stehen für die Marke persönlich ein, das ist in der Handelswelt heute ein Phänomen, das Kunden wertschätzen.

2. Derzeit heißt es oft, dass die Welt nach Corona eine andere sein wird. Glauben Sie das auch? Welche Werte werden künftig wichtiger?

Jürgen Reiter: Wir sind keine Propheten, keiner weiß, wie genau das viel zitierte neue Normal aussehen wird. Alle wird gut und alles wird wieder wie vorher sein, dieser Glauben und schwarz-weiße Ansichten stimmen sicher nicht und helfen auch nicht weiter. Gesellschaften sind immer wieder durch Krisen gegangen, denken Sie an 9/11 oder die Finanzkrise und nichts hat Bestand für die Ewigkeit. Als Unternehmer interessiert uns, wie sich jetzt Märkte, Warenflüsse und vor allem unsere Kunden neu orientieren und vor allem, wie wir diesen Prozess mitgestalten können. Einer unserer Erfolgsfaktoren ist sicherlich, dass wir seit bald 40 Jahren dem Grundsatz treu sind, unser Ohr auf die Gleise zu legen, ernsthaft ganz nah am Kunden zu sein. Wir kommen aus dem Einzelhandel, sind Einzelhandel und wir glauben an ihn. Das war nicht zuletzt einer der Motive, unseren Flagship Store Kraftwerk aufzusetzen. Hier treffen wir die Kunden, hier entstehen in der Beratung persönliche Momente, hier entwickeln wir das Gespür für seine Bedürfnisse. Wir richten unser gesamtes Verhalten daran aus, wie etwas beim Kunden ankommt. Und damit sind wir bei den wahren Werten. An wen glauben Sie in Zeiten von ungefilterter Meinungsmache? An Menschen und Marken, denen man vertrauen kann, die authentisch sind. Weil Menschen dafür grade stehen, was ein Unternehmen tut. Das gilt im sozialen Umfeld genauso wie im Markt. Wir stehen persönlich für unser Handeln ein, genauso wie jedes Glied unserer Teams, im Qualitätsmanagement genauso wie an der Front in den Läden.

3. Wie kann man aktuell das Vertrauen der Verbraucher gewinnen?

Peter Schönhofen: Der Kunde sollte sich frei fühlen und eine für ihn sichere Entscheidung treffen können. Gerade jetzt sucht er nach nachhaltigen Lösungen, Möbel sind keine Wegwerfprodukte, sondern sollen einen Wert schaffen. Verbraucher suchen an allen Touchpoints Informationen, eine Beratung oder einfach nur einen Austausch von Ideen. All das muss aber auch authentisch sein. Und, da sind wir wieder bei den wahren Werten, im gesamten Prozess zuverlässig. Das schafft Vertrauen und eine Beziehung. Die Klamotten wechselt der Mensch jeden Tag. Die Einrichtung ist etwas relativ Konstantes und da ist es wichtig, ein inspirierendes und in sich schlüssiges Konzept, so wie wir es mit unseren Gefühls- und Trendwelten bieten, die den Verbraucher vor Schnitzern bewahren. Der gute Möbeleinkauf endet darin, dass man nach drei Monaten oder nach einer Woche nachhause kommt und feststellt, ich fühle mich besser, ich komme mit größerer Freude nach Hause als davor. Das muss nicht immer ein neues Sofa sein, das kann ein Wandbild oder ein neuer Beistelltisch sein. Einrichtungsberatung und Möbelverkauf heißt doch, jemanden zu beglücken und an seine Individualität zu bringen, das ist ein wichtiger Moment.

4. Woher nehmen Sie, auch fast 40 Jahre nach Firmengründung, immer noch Ihren Antrieb, außergewöhnliche Wohnstyles zu kreieren, Neues zu entdecken?

Jürgen Reiter: Der Treiber war und ist, dass wir ehrlich gesagt Lust und Freude an unserem Metier haben. Es bleibt unsere Leidenschaft, bezahlbare Möbel und Wohnideen immer schöner und noch inspirierender zu machen. Wenn Sie die Entwicklung ansehen von unseren Katalogen über die Messen und die Produktauswahl und Produktqualität, da können wir ruhig sagen, da ist jedes Jahr eine Steigerung drin. Und jede Saison setzen wir noch einen drauf. Es motiviert uns unglaublich, wenn wir mit unseren Inspirationen Begeisterung im Markt erzielen, die auch bis hin zum Endkunden spürbar ist. Natürlich sind wir brutal harte Arbeiter. Wir sind immer am Ball, um Marktlösungen vom Preis und der Qualität her herauszuarbeiten, so dass wir die Zukunftsfähigkeit der Firma garantieren. Dabei ist es ein enormer Vorteil, dass wir zu zweit sind. Das heißt, wenn der eine mal schlechter drauf ist, zieht der andere ihn mit seiner Bereitschaft oder als Vorbild hoch.

5. Meinen Sie, dass die Living-Branche gestärkt aus der Krise hervorgehen kann? Wollen es sich die Verbraucher jetzt nach Wochen des Lockdowns wirklich zu Hause schöner machen? Vielleicht auch als Flucht vor der Wirklichkeit?

Jürgen Reiter: Mit den richtigen Konzepten, ja. Wir erleben seit Jahren, wie sich die eigene Wohnung zu einer Art Höhle entwickelt, in die sich die Menschen zurückziehen, weil es draußen im Job und Alltag immer stürmischer wird. Da sprechen wir vom viel zitierten Begriff der Wohnfühloase und des Rückzugortes. Eine Tatsache, die eher noch an Gewicht gewinnen wird. Dazu kommt, dass in einer digitalen Welt das Haptische verloren geht. Auf dem Clubsessel aus Vintage-Leder oder im samtigen Cocktail-Sessel spüren wir Oberflächen. Hier liegt für die Branche ein großes Potential. Es geht nicht allein um das schönere Einrichten. Mit dem richtigen Konzept ist gemeint, das der emotionale Aspekt des Möbelkaufs mit Lösungen – Stichwort Homeoffice – verbunden ist. Weil Verbraucher ihr Zuhause jetzt wochenlang vor Augen hatten und oft anders als zuvor nutzen mussten, suchen Verbraucher smarte Ideen für Wohnbereiche vom Flur über den Familienessbereich bis zum Bett. Das können wir bieten, für jeden Geschmack und auch für – fast – jedes Budget.

6. Wie wichtig ist derzeit der Lustkauf? Oder sind die Kunden gerade besonders rational in ihren Entscheidungen? Was können Sie aus der aktuellen Entwicklung bei Kare ablesen?

Peter Schönhofen: Möbelkauf wird zum Wohlfühl-Kauf. Es geht weniger um die reine Lust am Shoppen. Kunden wollen jetzt ihr Wohlbefinden daheim stärken. Neben den gewünschten Einrichtungslösungen, die Provisorien aus der Quarantäne-Zeit ablösen sollen, wie etwa den ziemlich unpraktischen Arbeitsplatz am Küchentisch, haben Kunden jetzt Lust, sich etwas Gutes zu tun. Wie es aussieht, werden wir alle beim Thema Sommerurlaub umschwenken. Hier werden in Haushalten Budgets umverteilt. Das muss der Handel nutzen!

7. Wie sind Sie bislang durch die Corona-Krise gekommen?

Peter Schönhofen: Natürlich wird es ein herausforderndes Jahr für die Ertragslage werden, aber kleine und große Erfolge führen dazu, dass wir gut durch die Zeit kommen. Und die digitale Kommunikation hat sich gesteigert. Wir haben uns in der Auslieferung und im Auftragseingang besser gehalten, als wir es zu hoffen wagten. Wie geplant können wir alle Arbeitsplätze erhalten. Auch weil unsere seit Jahrzehnten konservative Finanzpolitik dazu führt, dass wir einen beruhigenden Liquiditätsspielraum haben, der in diesen Zeiten Gold wert ist. Manchmal bringen es die altmodisch anmutenden Merksätze dann doch auf den Punkt. Wie heißt es so schön? Spare in der Zeit – dann hast du in der Not! In schwierigen Zeiten beweist sich aufs Beste, dass wir ein eingeschworenes Team sind, das zusammenhält.

8. Wie wichtig ist es in der derzeitigen Situation, dass Kare schon frühzeitig in die Digitalisierung investiert hat?

Peter Schönhofen: Extrem wichtig. Art und Geschwindigkeit von Kommunikation haben sich schon länger massiv geändert. Jetzt können wir unsere kommende Hausmesse Redboxx Days im Juli am Headquarter parallel zum offenen Showroom auch digital anbieten. Und in der Zeit des Shutdowns bis heute spielen uns die Möglichkeiten unserer Augmented Reality App Kare Room Designer und die der Virtual Reality mit der Einrichtungsplanung in die Hände. Der Vertrieb stellt Kunden Kojen digital vor und passt sie den Bedürfnissen maßgeschneidert an. Auch in unserem internationalen Netzwerk mit den Franchisern können wir digitale Tools nutzen. Den Store-Check machen die unsere Visual Merchandiser zum Beispiel mit der Dependance in Bogota und überall auf der Welt virtuell oder berät über Face-Time. Wirklich gut, dass wir alle im Einsatz dieser Tools schon lange trainiert sind, so haben wir in den vergangenen Wochen eine Art Normalität herstellen können.

9. Sie sourcen weltweit, viele der Produkte kommen aus Asien. Wir sehr mussten Sie mit Lieferverzögerungen umgehen? Und wie stellt sich dort derzeit die Lage dar?

Jürgen Reiter: Trotz verstärkter Versuche mehr auf europäische Produzenten mit unseren Designs zuzugehen, bleibt Asien dauerhaft wichtigster Herkunftsmarkt. Zwei Gründe gibt es dafür: Einmal das gute Preis-Leistungsverhältnis; genauso wichtig ist, dass man in Asien noch viele Fähigkeiten in der Produktion, besonders im Bereich handwerklicher Arbeiten findet, die bei uns leider wegen einer gewissen Deindustrialisierung verloren gegangen sind. Natürlich gab es Verzögerungen, aber auch Bedarfsrückgänge bzw. Verschiebungen des gewünschten Liefertermins bei Kunden. Gepaart mit einer erstaunlichen Flexibilität einiger unserer chinesischen Produzenten, der jahrzehntelangen, vertrauensvollen Zusammenarbeit und einer minuziösen Dispositionsarbeit gelang es uns, gerade im Bereich der Bestseller Lieferlücken weitgehend auszuschließen. Gleichzeit konnten wir überlaufende Lager vermeiden – eine Mammutaufgabe, die unsere Disposition bravourös meisterte. Indien bleibt aufgrund des noch nicht erreichten Höhepunkts der Pandemie dort und des schwierigeren gesellschaftlichen Umfeldes noch ein Thema. Wir sind gerade bei unseren Top-Lieferanten, von denen die meisten die Freigabe zum Weiterarbeiten regierungsseits erhalten haben, auf einem guten Weg.

10. Herr Reiter, wie ist es für Sie, seit Wochen nicht zu reisen? Wo Sie doch sonst fast permanent unterwegs sind.

Jürgen Reiter: Ätzend, ehrlich gesagt. Im Ernst, die Reisen, das Hands-on Arbeiten mit unseren Lieferanten in der Produktentwicklung und der persönliche Kontakt mit den langjährig vertrauten Menschen vor Ort fehlt sehr. Dies und die Weltläufigkeit sind ein Lebenselixier für mich. Auch nach 40 Jahren schätze und liebe ich es, in Hongkong Delhi, Shanghai, Hanoi oder wo auch immer anzukommen und zu neuen Inspirationsquellen aufzubrechen. Jede Reise ist mit spannenden Eindrücken und Erkenntnissen verbunden.

Andererseits beschleunigt die Krise zukunftsträchtige Arbeitsmodelle, zum Beispiel über Face Time und Skype über Kontinente hinweg just in time zu arbeiten.

Ferner spielt uns in die Hand, dass wir insbesondere mit unserem spanischen Design Büro Partnern gerade im Möbelbereich nahezu 100% selbst entwickeln und dass ein lang eingespieltes Team von Qualitätskontrolleuren vor Ort die Standards in der Produktion durchsetzt. Ich bin jetzt sehr gespannt, wie sich der digitale Arbeitsprozess in der Qualität der Neuheiten für das zweite Halbjahr niederschlägt. Ist der gewünschte Standard top, dann denke ich über die Reduzierung der Reisetätigkeit nach. Ganz darauf zu verzichten wäre aus meiner Sicht aber weder sinnvoll noch wünschenswert.


Dieses Interview wurde ursprünglich in der deutschen Fachzeitschrift “möbel kultur” in der Ausgabe Juni 2020 veröffentlicht.

 

Die Marke Kare steht für einzigartige Wohnideen, unangepasst und authentisch, niemals langweilig und immer voller Fantasie und Inspiration. Seit 1981 überrascht das Unternehmen seine Fans und Handelspartner weltweit mit einer unvergleichlichen Vielfalt an immer wieder neuen Möbeln, Leuchten und Wohn-Accessoires.